Speakers' Corner
Ein Kommentar von Tobias Schulz
Das Katz-und-Maus-Spiel, welches der iranische Präsident
Ahmadinedschad nun schon viel zu lange mit der restlichen Welt treibt,
wirft wieder einmal Licht auf das alte Dilemma der Vereinten Nationen:
Die an sich gute Idee einer supranationalen Instanz, die über die von
ihren Mitgliedern vereinbarten Regeln wacht, Verstöße dagegen ahndet
und im Konfliktfall vermittelt, läßt sich in der Realität in
entscheidenden Fragen nicht umsetzen. Was bei allgemeinen
Hilfsprogrammen, wie sie z.B. die Unesco durchführt, noch funktionieren
mag, das scheitert spätestens dann, wenn es mit dem Abwerfen von
Hilfsgütern oder dem Entsenden von Sanitätern nicht mehr getan ist.
Somalia, Bosnien, Kosovo, Sudan - die Liste der Mißerfolge ließe sich lange fortsetzen. So wurden im jugoslawischen Bürgerkrieg in Srebrenica mehrere Tausend bosnische Männer unter den Augen der UN-Blauhelme deportiert und ermordert. Einschreiten konnte man bedauerlicheweise nicht, da das vom Sicherheitsrat erteilte Mandat einen militärischen Einsatz nicht umfaßte - als alter "Freund" der Serben hatte unter anderem Rußland eine weitergehende Resolution verhindert.
Auch wenige Jahre später - im Kosovokrieg - brachte erst der von den
UN
nicht legimierte Nato-Einsatz die Wende und beendete die ethnischen
Säuberungen der serbischen Miliz. Die UNO konnte dem Massenmord keinen
Einhalt gebieten, da man sich im Sicherheitsrat aufgrund
widerstrebender Interessen nicht einig geworden war.
In diesen verschiedenen nationalen Interessen insbesondere der Vetomächte im Weltsicherheitsrat liegt denn auch das grundlegende Problem: Wenn es um wirklich entscheidende Fragen geht, dann handelt jedes Land zuallererst im ureigenen Interesse und nicht orientiert an den gerne in Sonntagsreden bemühten hehren Idealen einer gerechteren und sichereren Welt. Dies ist allerdings aber auch eine völlig natürliche Handlungsweise - wer etwas anderes erwartet, als daß ein Land zuallerst eigene Interessen verfolgt, den kann man getrost als Phantasten bezeichnen. Die Idelae, auf die die Vereinten Nationen gründen, mögen schön und glänzend sein, die Wirklichkeit aber ist, wie sie ist - nämlich menschlich.
Wer dies erst erkannt hat, der hat leichtes Spiel - so wie Irans Präsident Ahmadinedschad, der es meisterhaft versteht, mit taktischen Spielchen aller Art die "Verhandlungen" immer weiter zu verzögern, wohlwissend, daß er von der sogenannten Weltgemeinschaft wohl nichts zu befürchten hat; vielleicht ein paar Sanktionen, die dann aber sowieso ausschließlich die Bevölkerung treffen würden - siehe Irak. Im Unterschied zum Irak und zu Saddam Hussein, der ebenfalls über Jahre ein fast schon lächerliches Spiel mit den UN getrieben hatte, drängt beim Iran die Zeit: hat dieser erst einmal die Bombe, dann ist es zu spät für Verhandlungen und für Sanktionen. Dazu kommt, daß es Israel nicht zulassen kann, daß die Fundamentalisten in Teheran die Atombombe bekommen - sollte es der UNO nicht gelingen, Irans Streben nach nuklearer Macht Einhalt zu gebieten, dann würde das wohl Israel tun. Was aber ein Einschreiten Israels für das Pulverfaß Naher Osten bedeuten würde, mag man sich gar nicht ausmalen.
Bleibt also nur zu hoffen, daß insbesondere die Vetomächte Rußland
und
China dieses Mal den Willen zu einer schnellen Lösung zeigen, bevor
wieder eine "Koalition der Willigen" sich dieses Problems annehmen muß,
weil die UNO dazu nicht in der Lage ist.